Die Verlegung der Stolpersteine in Lünen-Süd – Patenschaft der KKG
Aktion Stolpersteine in Lünen
Viele Opfer des Nationalsozialismus haben weder Grab noch Grabstein. Ihr Schicksal soll nicht vergessen werden. Dafür setzt sich der Kölner Künstler Gunter Demnig ein – RN-Bericht von Volker Beuckelmann
Gunter Demnig kam auf die Idee zum Projekt Stolpersteine. Viele dieser Steine erinnern bereits an Menschen aus Lünen, die Opfer der Nazis wurden. Am Donnerstag kamen sechs weitere in Lünen-Süd und Gahmen dazu. Gewidmet sind sie Johann Berg, Jakob Bink, August Dombrowski, Bernhard Höltmann, Johann König und Josef Kriska.
Sie alle waren Mitglieder der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), sie alle wurden kaltblütig ermordet. Der Arbeitskreis „Lüner Stolpersteine“ organisierte die Verlegung der sechs Steine durch Gunter Demnig in den Gehwegen – genau dort, wo die Ermordeten gewohnt hatten.
Eine Besonderheit am ersten Verlegeort war nicht nur die Anwesenheit von vielen Schülerinnen und Schülern der beiden Lüner Gesamtschulen, sondern auch die Tatsache, dass der Schülersprecher der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule, Mert Cevik, im Haus Derner Straße 129 wohnt, wo Nazi-Opfer Jakob Bink lebte.
An der Jägerstraße berichtete Rektor Reinhold Bauhus in Anwesenheit des Geschichtskurses vom 13. Jahrgang, warum sich die Schule als Sponsor für den Stolperstein für Johann Berg engagiert. Es folgte eine Performance von Stephan Wilhelm und Udo Kath. Sie stellten engagiert das Gespräch zweier Nachbarn dar. Denn Siegmund Kniebel wohnte nur ein Haus neben Johann Berg und wurde als Jude Opfer des NS-Regimes. Für ihn wurde bereits 2009 ein Stolperstein gelegt.
Beeindruckend auch die persönlichen und sehr emotionalen Anmerkungen vom Urenkel Lars Hübchen bei der Stolpersteinverlegung für Johann König und von Urenkel Mirco Mayr bei der Steinverlegung für Bernhard Höltmann. Hier waren jeweils zahlreiche Familienangehörige angereist.
Was treibt den Künstler an? Wie reagieren die Menschen darauf? Antworten gab es bereits am Mittwochabend in der Aula der Geschwister-Scholl-Gesamtschule.
„Das ist heute der 100. Geburtstag unserer Demokratie, denn am 6. Februar 1919 trat in Weimar die Nationalversammlung zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen“, begrüßte Udo Kath vom Arbeitskreis Lüner Stolpersteine rund 40 Gäste zum Vortrag von Gunter Demnig (71). „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, zitierte er den Talmud, ein Schriftwerk des Judentums.
Gegen das Vergessen geht Demnig seit 1993 vor und verlegt die Stolpersteine mit den Namen der NS-Opfer: Juden, Sinti, Roma, Homosexuelle, politisch Verfolgte, Zeugen Jehovas und Euthanasie-Opfer. Erschossen, vergast, gehängt, erschlagen, ertrunken oder tot gespritzt.
Über 70.000 „Stolpersteine“ wurden in 24 Ländern Europas verlegt, so Demnig, der 23 Semester Kunstpädagogik studiert hat. Schon vor seinen „Stolpersteinen“ war er international künstlerisch aktiv und habe sich bei Behörden wegen seiner unkonventionellen Art auch unbeliebt gemacht. Das Projekt „Stolpersteine“ ist indes eine Erfolgsgeschichte geworden. „Man stolpert mit dem Kopf und mit dem Herzen. (…) Zum Lesen musst Du eine Verbeugung machen“, so der Künstler und ergänzte: „Die Erinnerung wird blank poliert, wenn man darüber läuft.“
Positiv bewertet er das Interesse junger Menschen, Schulklassen und Angehöriger der Opfer, die einen Ort des Gedenkens gefunden und sich hier zum Teil erstmals getroffen hätten, um ein Mahnmal zu haben. Einige Klassen hätten Putz-Patenschaften der „Stolpersteine“ übernommen.
Von empörenden Reaktionen der Anwohner bis hin zum Lob würde er vieles erleben, so der Künstler, der mit seinem neunköpfigen Team eine Datenbank aufbauen möchte, um das Schicksal der NS-Opfer aufzuarbeiten. Laura, eine Schülerin der Geschwister-Scholl-Gesamtschule, fand den Vortrag „interessant“, Willi Engelbertz, der ehemalige Integrationsbeauftragte der Stadt Lünen, lobte den europaweiten Bezug.
Neben dem Arbeitskreis Lüner Stolpersteine haben die ev. und kath. Kirche sowie der Hotelier Wolfgang Schene den Abend finanziell unterstützt.
Bericht in den Ruhr Nachrichten vom 8.2.2019 – Redakteur: Volker Beuckelmann – Fotos (RN): Günther Goldstein und Volker Beuckelmann – weitere Fotos: Krieger (KKG)